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Manfred lebend in englischer Gefangenschaft

Event ID: 394

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Die Erinnerungen der Mutter des roten Kampffliegers Kunigunde Freifrau von Richthofen. Im Verlag Ullstein - Berlin, 1937.

22 April 1918

49.95364549447138, 2.3132999619283954
Poulainville

Source ID: 10

Die Erinnerungen der Mutter des roten Kampffliegers Kunigunde Freifrau von Richthofen. Im Verlag Ullstein - Berlin, 1937. p.  162 

“Wir sitzen bei unserem Nachmittagstee, bei der Vesper – da wird mir ein Telegramm überreicht. Bevor ich es öffne muß ich den Empfang durch Namensunterschrift bescheinigen, dazu die genaue Zeit: 4 Uhr 15 Minuten. Ich halte also ein St.-Telegramm in den Händen, das eine wichtige Nachricht aus dem Felde enthalten muß. Schon öfter habe ich solche Fernsprüche quittiert. Freudige Botschaften habe ich auf diese Weise erhalten – aber auch die Verwundungen meiner Söhne sind mir so mitgeteilt worden. Nicht ohne Herzklopfen öffne ich: “Manfred lebend in englischer Gefangenschaft. Major Richthofen”. Meine Hände zittern; für einen Augenblick scheint sich das Zimmer zu drehen. Was war geschehen? Manfred war in die Gewalt der Feinde geraten? An dem roten Flugzeug mußten sie ihn, le rittmeister des quatre Esquadrilles rouge, sofort erkannt haben. Wie mochte sein Empfang bei den Engländern gewesen sein? Dieser rastlos schaffende Geist – nun zu langsam Nichtstun verdammt! Plötzlich und grell stand dieser Satz vor mir: “Das Schlimmste, das mir widerfahren könnte, wäre, beim Feinde zu landen…” Wieder sah ich seinen ahnungsvollen, in die Zukunft schauenden Blick, wieder fühlte ich das unausgesprochene, zurückgehaltene Wort. – Was Manfred befürchtet hatte, war eingetroffen. Doch gleich sprach eine andere Stimme in mir: “Gewiß ist es hart für ihn, hart für uns – aber wir werden uns nach dem Kriege wiedersehen; er bleibt uns erhalten. Dieser Gedanke überkam mich wie ein großer Trost. Das Telefon geht. Die Schweidnitzer “Tägliche Rundschau” fragt an, ob es sich bewahrheitet, daß ich ein Telegramm mit ungünstiger Nachricht über meinen Sohn Manfred erhalten habe. Ich erwiderte, daß der Fernspruch von meinem Mann sei und eine private Mitteilung enthalte. Da sie noch der Bestätigung bedürfe, so wolle ich nicht, daß der Inhalt in die Zeitung käme. Ich gehe in mein Zimmer, will allein sein, spreche vor mich hin, immer wieder: “Wir werden uns nach dem Kriege wiedersehen.” Ich liege auf meinem Bett, die Bäume knarren im Wind. Will denn diese Nacht nicht vergehen? Unruhige Träume mischen sich in meinem Halbschlummer.”

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