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Trauerfeier für Manfred

Event ID: 397

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Die Erinnerungen der Mutter des roten Kampffliegers Kunigunde Freifrau von Richthofen. Im Verlag Ullstein - Berlin, 1937.

02 May 1918

52.52164357165033, 13.403009042130655
Berlin

Source ID: 10

Die Erinnerungen der Mutter des roten Kampffliegers Kunigunde Freifrau von Richthofen. Im Verlag Ullstein - Berlin, 1937. p.  168 

“Wir sind nach Berlin gefahren, Albrecht, Ilse, Bolko und ich. In der Garnisonkirche soll eine Trauerfeier für Manfred stattfinden. Es ist der 2. Mai – und heute ist Manfreds Geburtstag! Um ein Uhr machte uns Exzellenz von Hoeppner, der Kommandierende der Luftstreitkräfte, seinen Besuch. Ich fragte ihn nach vielem, was mir auf dem Herzen lag, zunächst über Manfreds Tod. Er glaubte mir bestimmt versichern zu können, daß Manfred von der Erde aus einen Treffer bekommen hat. Er sagte: “Wir haben keinen Ersatz für Ihren Sohn in der ganzen Fliegertruppe.” Lothar ist aus Dûsseldorf in Berlin eingetroffen. Wie elend und verändert er aussieht, ich bemerkte es mit großem Schmerz. Er ist noch tief niedergeschlagen über den Tod des geliebten und verehrten Bruders. Kurz vor vier Uhr fuhren wir in zwei Wagen nach der alten Garnisonkirche. In dichten Reihen bildete das Publikum Spalier. Feierlich erklangen die Glocken. Vor der Kirche empfing uns (in Vertretung des Kaisers) General Manfred von Richthofen, ein Vetter meines Mannes, Reitergeneral im Kriege, und Exzellenz von Hoeppner. Wir nahmen die für uns bestimmten Ehrenplätze ein. Der Altar vor uns ist mit schwarzem Tuch ausgeschlagen, nur das Christusbild in der Mitte ist frei geblieben. Auf vier umflorten Sockeln stehen bronzene Becken, aus denen lodernde Flammen aufzüngeln. Ein katasalkartiger Aufbau, dessen Mittelpunkt ein schwarzes Samtkissen mit Manfreds Orden bildet. Niemals hat er sie alle getragen, ich selbst sehe sie heute zum erstenmal. Oben aus der Mitte des Katafalks springen nach rechts und links die Läufe von vier Maschinengewehren hervor.Unter dem Ordenskissen ist ein riesiger Kranz mit schwarzem Flor um einen zersplitterten Propeller geschlungen. Auf der rechten und linken Seite stehen, wie aus Erz gegossen, je acht Flieger in schwarzen Lederjacken und Sturzhelmen. Verdiente Unteroffiziere, jeder von ihnen hat das E.K. 1 und das Fliegerabzeichen. Rechts und links von dem Katafalk ist ebenfalls je ein Flieger postiert. Während der ganzen Feier, die wohl über eine Stunde dauerte, standen sie, ohne sich zu rühren, ohne mit einer Wimper zu zucken – in seiner Strenge ein unvergeßliches Bild. Um vier Uhr erschien die Kaiserin nebst Prinz und Prinzessin Sigismund von Preußen. Sie nahmen rechts von uns in der Loge Platz. Die Feier begann. Der Geistliche sprach, daß die Leistungen und das Werk des Toten uns trößten müssen. Nicht das Sterben des gewöhnliches Lebens habe sich an ihn herangewagt, sondern der Tod in seiner ganzen heroischen Schönheit. Als die Glut des Farbenspiels am buntesten, as die Wucht der Handlungen am gewaltigsten war, da rauschte der Vorgang über dieses Leben nieder. Nur ein Dichter könne ihm gerecht werden. “Im Frühling ist er dahingegangen – was ihm vorenthalten wurde, ist ein langer, heißer Sommer und ein welkender Herbst.” Das Requiem von Brahms… Das schöne alte Kavallerie-Signal, die Retraite – wie ums Abendrot über einsames Schlachtfeld hingeblasen… Ein Abschiedsgruß dem jungen Reitersmann. * Eine leise, kaum vernehmbare Stimme sprach zu mir, bekundete mir ihr Beleid. Ich blickte in gütige Augen. Der Kaiserin Gesicht war mütterlich und tief bekümmert. “Ich hatte gewünscht, “sagte ich, “daß Manfred seinem Vaterlande noch länger hätte dienen können.” Die hohe Frau mickte still, ein Zug von Schmerz lag um ihren Mund, sie wußte wohl, was Leid ist; das Schicksal hatte auch ihr viel zu tragen aufgegeben, auch sie kannte die Qualen durchwachter Nächte. Sie begann weiterzureden, immer noch mit leiser, schonender Stimme. Sie sprach von Manfreds Besuch in Homburg; ich erwiderte, wie beglückt mein Sohn damals über ihre Freundlichkeit gewesen sei. Sofort war diese Begebenheit in mir lebendig: Genau vor einem Jahr war es gewesen, an einem strahlenden Mai, an seinem Geburtstage, da sollte er sich der Kaiserin vorstellen. Der in zweiundfünfzig Kämpfen Siegreiche flog in der alten Lederjacke, von der er sich im Felde niemals trennte, ins Große Hauptquartier. Die Kaiserin nahm ihn gleich bei der Landung in Empfang, und als er Miene machte, sich wegen seiner Kleidung zu entschuldigen, streichelte sie das schmucklose Kleidungstück und sagte: “Die gute Jacke – zweiundfünfzig Luftsiege hat sie erlebt.” Es war nun wohl Zeit, zu gehen, wir wandten uns aus der Sakristei; da kam die Kaiserin, die sich mit meinem Kindern und Albrecht beschäftigt hatte, nochmals auf mich zu. Noch einmal fanden sich unsere Augen, noch einmal drückte sie mir die Hand, und ich beugte mich herab und küßte die ihrige. Wir fahren ins hotel zurück. Viele Bekannte haben sich dort versammelt. Ich freue mich, als sich einige Herren von Manfreds Geschwader melden lassen. Wir sehen uns gegenüber. Ich mustere diese jungen ernsten Menschen, Manfreds Kameraden. Suche in ihren Gesichtern zu lesen, was auch in Manfreds Zügen lag, das Fronterlebnis. Ein schmales, gutgeschnittenes Gesicht fällt mir besonders auf. Der blutjunge Ulanenoffizier ist sehr erregt. Der Kummer arbeitet in seinen feinen, zarten Zügen. Sein Name klingt an mein Ohr. Das also ist Hans Joachim Wolff, von dem Manfred mir so herzlich erzählte; der den schönen Brief an Lothar schrieb, als sein verehrter und bewunderter Rittmeister den Fliegertod gestorben war… “…ich besonders bin tief unglücklich. Ich habe an ihm mehr verloren als nur das große Vorbild, das er allen war. Ich habe ihn geliebt wie einen Vater. Ich war glücklich, wenn ich mit ihm zusammen sein dürfte…” Nun stand er vor mir, und es war so, daß ich ihn trösten mußte. Es war, als spräche ich zu meinem eigenen Sohn. Er sagte, er hätte immer eine besondere Verpflichtung in sich gespürt, über das Leben seines großen Kommandeurs zu wachen, wie ein Schildträger es tut. Aber in der Stunde, als das Unfaßliche geschah, wäre er selbst in einen Luftkampf verwickelt gewesen und hätte seinen Führer aus den Augen verloren…Jetzt mache er sich bittersten Vorwürfe. Ich war gerührt von so viel Liebe und Treue; ich schloß ihn in mein Herz. Möge er seinen Eltern erhalten bleiben – er ist ihr einziges Kind. * Wir sprachen noch einiges. Ich war diesen jungen Menschen dankbar. Manfred lebte in ihnen. Sie trugen mir viel Tröstliches zu. Manfred sei glücklich, befriedigt gewesen; er sei bewundert, ja vergöttert worden. Der Kaiser hatte beabsichtigt – so erzählen sie -, ihm nach seinem 80. Luftsieg des Eichenlaub zum Pour le Mérite zu verleihen und ein Handschreiben herauszugeben, worin ihm das Fliegen verboten werden sollte. Manfred hatte bereits Urlaub, sein Schlafwagenbillett lag schon auf seinem Tisch. Er war bei Herrn Voß in Freiburg, dem Vater des toten Lufthelden, zur Auerhahnjagd angesagt. Vorher war sein Besuch beim deutschen Kronprinzen angemeldet. Die Kameraden sagten auch aus, Manfred habe den Wunsch gehabt, sämtlichen Geschwadern zur Verfügung zu stehen; er wollte sich dann bei dieser oder jener Staffel ansagen und mit ihnen gegen den Feind fliegen. Die Herren erzählten ferner, wie sie sich gegenseitig ihre Bestürzung nicht eingestehen wollten, als ihr Kommandeur nicht wiederkam. Sie hofften, er sei irgendwo gelandet und würde plötzlich wieder da sein. Exzellenz von Hoeppner ergänzte noch, Manfred habe nach seinem 63. Luftsieg gebeten, daß man von nun an seine Siege der Staffel und nicht mehr ihm persönlich anrechnen möchte; aber das habe man unter keinen Umständen getan. Eine mütterliche Freundin unseres Hauses hatte der Trauerfeier beigewohnt. Sie hatte Lothar ganz besonders in ihr Herz geschlossen – er sollte einst ihr Erbe sein. Tief bekümmert über Manfreds Tod und über Lothars zweite Verwundung kam sie zu mir und bat mich, ich möchte ein Gesuch einreichen, damit Lothar aufhöre zu fliegen. Ihre Sorge war von wahrhaft mütterlicher Liebe diktiert. Aber – hatten nicht Tausende von Müttern ihre Söhne geopfert wie ich – schwebten nicht aber Tausende in der gleichen bangen Sorge um die Lebenden?! Erst kürzlich hatte eine meiner Bekannten binnen vier Wochen drei tapfere und blühende Söhne verloren. Wir alle trugen das gleiche Los. Unsere Söhne beschirmten mit ihren Leibern, mit ihrem Blut die Heimat. Wer sollte da für sich eine Ausnahme beanspruchen?! Und vor allen Dingen – was würde Lothar selbst dazu sagen? Meine Blicke wanderten zu ihm hinüber. Ernst und gefaßt sprach er, der den Schlag vielleicht am furchtbarsten empfand, mit seinen Kameraden. Lothar hätte es einfach nicht getan, er hätte einen solchen Schritt von mir nur als peinvoll empfunden. – Nein, das tat ich ihm nicht an. “So Gott will, wird Lothar leben”, erwiderte ich der treuen alten Freundin. So Gott will – – – Als ich den jungen Offizieren die Hand zum Abschied reichte, dankte ich noch einmal für diese Stunde. Sie hatte mir wohlgetan. Ich nahm das Bewußtsein mit, wie glücklich Manfred in seinem tapferen Fliegerdasein gewesen war; wie er dieses Leben mit keinem auf der ganzen Welt hätte tauschen mögen. * Wir fuhren nach Schweidnitz zurück; erst jetzt fühlte ich, wie stark die Nervenanspannung in den letzten Tagen gewesen war. Nun, da ich nicht mehr aller Augen auf mich gerichtet fühlte, mochte ich zusehen, wie ich mit mir selbst fertig wurde. Ich suchte die Einsamkeit und fürchtete sie zugleich. Einmal stand Menzke vor mir. Er brachte seines toten Rittmeisters Sachen. Wir knieten an dem Koffer und sichteten und ordneten. Menzke konnte kaum sprechen vor Kummer. Ich sagte ihm, er solle sich zum Abschied etwas aussuchen. Der Gute wählte ein bescheidenes Stück von der Ausrüstung, die Manfred im Felde getragen hatte.”

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