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JG I Besprechung

Event ID: 413

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Jagd in Flanderns Himmel, Karl Bodenschatz, Verlag Knorr & Hirth München, 1935

02 July 1917

50.823687281886876, 3.2443326315734504
Castle of Baron de Bethune
Marke

Source ID: 58

Jagd in Flanderns Himmel, Karl Bodenschatz, Verlag Knorr & Hirth München, 1935 p.   

Der Freiherr führt das erste Geschwader, das die Armee überhaupt aufgestellt hat. Bisher gab es nur Staffeln. Jetzt sind vier Staffeln zusammengefaßt. Sie liegen hier in Schloß Marckebeeke und in der nächsten Nachbarschaft. Im Schloß selbst und in den Klostergebäuden liegen die Staffeln 11 und 4. Die Staffel 11 hat Richthofen mitgebracht, er war ihr Führer und sie bleibt seine “Stammstaffel”. Mit ihr fliegt er, bei ihr wohnt er, mit ihr speist er, und es sind seine alten Kameraden, er kennt jeden von ihnen in- und auswendig. Die Jagdstaffel 6 liegt bei Bisseghem, die Jagdstaffeln 10 bei Marcke.

Wenn die Staffeln einmal alle zusamme auf dem Flugplatz aufgestellt sind, dann stehen hinter jedem Staffelführer 12 Maschinen. Es sind nur zwei Flugzeugtypen vorhanden, entweder Albatros D 5 oder Pfalz D 3. Das aufgestellte Geschwader sieht h¨chst farbig aus. Die Stammstaffel 11, mit der Richthofen fliegt, hat die Maschinen rot angestrichen, die Staffel 10 gelb, Staffel 6 hat schwarzweiße Zebrastreifen und Staffel 4 trägt eine schwarze Schlangenlinie um den naturfarbenen Rumpf.

Den Zweck dieser Farbenfreudigkeit braucht man nicht des langen und breiten zu erklären: Man kann in der Luft die Staffeln auseinanderhalten. Und da jeder Flugzeugführer außerdem an seiner Machine noch ein besonderes Zeichen angebracht hat, ist es möglich, sofort zu wissen, wer in diesem oder jenem Flugzeug sitzt.

Am Abend dieses 2. Juli bittet der Kommandeur die Führer der Jagdstaffeln zu einer Besprechung in den ersten Stock in sein Zimmer. Es ist noch alles kahl und ungemütlich. Außerdem stehen nicht alle Räume des Schlosses zur Verfügung, denn der Graf, der hier Schloßherr ist, würde am liebsten den ganzen Fliegerzauber in die Luft sprengen, und da ihm dies nicht möglich ist, sprengt er wenigstens mit seiner mürrischen Unfreundlichkeit jegliche höfliche Beziehung und hält soviele Zimmer verschlossen, als nur möglich ist. Der Rittmeister sah sich seinerseits diesen ungastlichen Zauber einige Tage geduldig an, dann wurde es geändert.

Indessen draußen auf den Korridoren die Ordonnanzen und Burschen unaufhörlich auf und ab hetzen, um Ordnung in die Unordnung des Einzugs zu bringen, beginnt drinnen im Zimmer die Besprechung. Sie ist für die Arbeit des ersten Jagdgeschwaders des Feldheeres entscheidend.

Vor dem Kommandeur und seinem Adjutanten stehen die vier Staffelführer. Jagdstaffel 4: Oberleutnant von Doering, 17. Dragoner aus Ludwigsluft in Mecklenburg, ein erprobter Staffelführer, der eine Anzahl von Abschüssen hinter sich hat. Verbindlich, liebenswürdig, korrekt.

Jagdstaffel 6: Oberleutnant Dostler, bayerischer Pionier, alter Kriegsschulkamerad des Adjutanten Bodenschatz, untersetzt, massig, breitschulterig, mit einem handfesten, aber vergnügten Einschlag von Kommiß.

Jagdstaffel 10: Der Oberleutnant Freiherr von Althaus, der den Orden Pour le mérite trägt, Kavallerist (in der Jagdfliegerei wimmelt es von Reitern), an diesem Abend etwas schweigsam. Seine Staffel hat böse Tage hinter sich. Sie ist furchtbar mitgenommen worden undhat bittere Verluste gehabt.

Jagstaffel 11: Leutnant Wolff. Zu ihm konnte man auf den ersten Blick nur “zartes Blümlein” sagen. Ein schmales, dünnes Figürchen, ein blutjunges Gesicht, die ganze Haltung Schüchternheit und nochmals Schüchternheit. Er sieht aus, als ob man ihn mit einem rauhen Wort rückwärts über die Hacken umflippen könnte. Aber unter diesem freundlichen Schuljungengesicht baumelt der Orden Pour le mérite. Und diese bescheiden blickenden Augen haben bisher über Kimme und Korn seiner Maschinengewehre hinweg 30 feindliche Flugzeuge vom Himmel geholt, in Flammen gesetzt und am Boden zerschellen lassen. Dieser schmale Junge ist einer der besten Männer schon der alten Richthofenstaffel 11 gewesen. Daß er nun ihr Fûhrer ist – selbstverständlich…

Der Kommandeur gibt in klarer reihenfolge seine Anweisungen. Erstens wollte er es nicht mehr darauf ankommen lassen, auf Umwegen über die verschiedenen Kommandostellen Startbefehle zu bekommen. Er würde sich haargenau nach der feindlichen Fliegertätigkeit vor seinem Abschnitt richten. Deshalb befehlte er, sofort direkte Verbindungen mit der vordersten Front herzustellen. Er verlange auch eine Ringleitung zu seinen vier Staffeln, daß, wenn er den Hörer abnehme, sich alle vier gleichzeitig meldeten.

Dis se Numero eins. Dazu teilte der Rittmeister die Erdlage mit und sie war nicht angenehm zu hören.

Die feindlichen Durchbruchversuche werden mit einer bis nahin noch nicht erlebten Zähigkeit wiederholt und jeder neue Angriff ist brutaler und erbitterter als der vorhergehende. Die Truppen, die diese Berserkerstöße auszuhalten haben, leiden ungeheuer unter einem Trommelfeuer, das niemals abreißt. Und wenn verwunderlicherweise doch einmal eine Feuerpause eintritt, dann heulen Infanteriefliegern schaukeln ins Hinterland ganze Trauben von Bombengeschwadern.

So sieht es auf der Erde aus, und die Aufgabe in der Luft für das Jagdgeschwader I ergibt sich daraus also von selbst: Vernichtung der Infanterieflieger, Vernichtung der Jagdeinsitzer, Vernichtung der Bombengeschwader.

Der Kommandeur hat gesprochen. Es erhebt sich unter den Herren keine Rückfrage. Klarer kann eine Situation kaum aussehen. Nur der Oberleutnant von Althaus bittet, ihm die besten Leute zuzuweisen, da er seine besten Leute verloren habe. Der Kommandeur sagt ihm guten Ersatz zu.

Die Besprechung ist zu Ende. Der Rittmeister und sein Adjutant gehen zum Abendessen zu Staffel 11.

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