Manfred von Richthofen heute
Event ID: 507
Categories:
01 October 1990
Source ID: 28
“von NATO-Generalsekretär Dr. Manfred Wörner.
Mein Verhältnis zu Manfred von Richthofen muß ich als sehr persönlich bezeichnen – und das seit meiner Kindheit. Vorgeprägt wurdi ich dabei ganz sicher durch meine Mutter. Sie hat kurz vor meiner Geburt – das war 1934 – Manfred von Richthofens Buch ‘Der Rote Kampfflieger’ gelesen. Für sie war spätenstens damit klar: ‘Wenn’s ein Junge wird, heißt er Manfred’.
Und diese Wahl meines Vornamens war ganz und gar keine Augenblickslaune. Meine Mutter hat bereits sehr früh mit mir über Manfred von Richthofen gesprochen. Für sie war er ein Vorbild an Ritterlichkeit und Fairneß. Übrigens ist meine Mutter bis zu ihrem 68. Geburtstag nie geflogen; mein Vater vielleicht ein- oder zweimal.
Als Junge war für mich die Fliegerei – was Wunder nach dieser Vorprägung – der große traum. Ich kannte die großen Jagdflieger des Ersten Weltkrieges alle. Ganz vorne stand für mich natürlich Manfred von Richthofen. Ich bin mit der Bewunderung dieses Mannes groß geworden. Ohne Zweifel habe ich als Kind Manfred von Richthofen idealisiert. Je mehr ich dann im Laufe der Jahre über ihn in Erfahrung breingen konnte, desto realistischer wurde mein Bild – realistischer, aber nicht schlechter!
Von Richthofens “Roten Baron” habe ich mit 15 oder 16 Jahren zu erstenmal selbst gelesen. Das war 1949. Also in einer Zeit, nach der Katastrophe des Zweiten Weltkrieges, wo in Deutschland auch an zivile Fliegerei nicht zu denken war. Ich habe das Buch bis heute einigemale mit Interesse und Bewegung gelesen. Dies trifft auch auf die Erinnerungen von Kunigunde von Richthofen und spiegelt den Geist der Zeit vorzüglich wider.
Für mich war schon sehr früh klar, daß ich selbst auch Flieger werden wollte, und natürlich auch Militärflieger. Da es für Deutsche bis Mitte der 50er Jahre verboten war, eine Ausbildung zum Piloten zu absolvieren, mußte dies zunächst ein Wunschtraum bleiben. Schließlich konnte ich aber 1953 den Segelflugschein erwerben.
Als ich während meines Studiums einige Semester in Paris verbrachte, war es mir möglich, in Frankreich die Prüfung für Motorflugzeuge abzulegen. Nach Deutschland zurückgekehrt, folgte der deutsche Zivilpilotenschein. Als Reservist der Bunderswehr konnte ich schließlich auch Düsenjäger fliegen. Meine erste Ausbildung auf einem Düsenflugzeug – es war eine Fouga Magister – erhielt ich in einem Reservistenverein. Die Luftwaffe hat mich dann später auf Kampftypen umgeschult.
Bis heute hat mich die Persönlichkeit Manfred von Richthofen gefesselt. Das gilt auch für die Zeit während meiner Mitgliedschaft im Verteidigungsausschuß des Deutschen Bundestages und natürlich während der Tätigkeit als Verteidigungsminister der Bundesrepublik Deutschland. Selbst als Generalsekretär des Nordatlantischen Bündnisses gibt es für mich gelegentlich Bezugspunkte zu Manfred von Richthofen. Immerhin trägt ein NATO-Geschwader der Bundesluftwaffe in Wittmund den Namen Manfred von Richthofens.
In übrigen habe ich bei Gesprächen häufig festgestellt, daß e bei den Luftwaffen aller Verbündeten einen großen Ruf genießt, und daß man ihm dort ohne Vorbehalte begegnet. Von Richthofen wird als exzellenter kampfflieger – der er unstreitig war – geschätzt. Er ist zu einer Symbolfigur für Ritterlichkeit, untadeliges Verhalten und fliegerisches Können geworden.
Es ist meine Überzeugung, daß solche Symbolfiguren verbindenden Charakter über die Grenzen der einzelnen Nationen hinweg besitzen. Bei großen Traditionstreffen der Flieger, mit Teilnehmern aus vielen Ländern, konnte ich dies beobachten. Ehemalige Feinde haben sich als Menschen kennen und schätzen gelernt. Für das friedliche Zusammenleben der Völker ist dies von großer Bedeutung. Und wenn die Erinnerung an Manfred von Richthofen hierbei mithilft, dann ist das eines der größten Komplimente, die sich denken lassen.
Die menschliche Integrität Manfred von Richthofens wird auch durch die Einvernahme seiner Person während des Dritten Reiches – und insbesondere durch Hermann Göring – nicht beschädigt. Die damaligen Versuche, von Richthofen zu mißbrauchen, sprechen in meinem Augen nicht gegen ihn. Ich bin vielmehr überzeugt davon, daß er, hätte er in dieser Zeit noch gelebt, sich mit Abscheu von den begangenen Untaten distanziert hätte. Wer aus dem “Roten Kampfflieger” anderes glaubt herauslesen zu können, verkennt schlicht den historischen Bezug, unter dem von Richthofen sein Buch geschrieben hat. Natürlich war er ein Kind seiner Zeit. Und gerade zu Beginn des Ersten Weltkrieges hat der Nationalismus fröhliche Urstände gefeiert. In allen Ländern, nicht etwa nur in Deutschland. Selbstverständlich hat man damals anders gedacht als wir heute. Aber das kann diesen Mann nicht abwerten.
Wenn man berücksichtigt, daß Manfred von Richthofen gerade 22 Jahre alt war, als der Krieg ausbrach und noch nicht einmal 26 als er im April 1918 fiel, ist es schon erstaunlich, wie differenziert er die damaligen Vorgänge beurteilt. Wen läßt es unberührt, wenn er schreibt: “Jetzt ist der Kampf, der sich an allen Fronten abspielt, ganz verteufelt ernst geworden, es ist nichts mehr übrig geblieben von diesem ‘frischen, fröhlichen Krieg’, wie man unsere Tätigkeit anfangs genannt hat….Ich habe nun so den dunklen Eindruck, als ob aus dem ‘Roten Kampfflieger’ den Leuten ein ganz anderer Richthofen entgegenleuchtet – als mir selbst zumute ist.”
Der fliegerische Erfolg Manfred von Richthofens beruhte zu einem guten Teil sicher auf seinem persönlichen Mut, der jedoch nicht mit blindem Draufgängertum verwechselt werden darf. Mindenstens ebenso wichtig war sein taktisches Geschick, das sich um so stärker bemerkbar machte, als er wachsende Verantwortung übernehmen mußte. In seinem ‘Fliegerischen Testament’ hat von Richthofen im April 1918, nur wenige Tage vor seinem Tod, die wesentlichen Grundlagen des erfolgreichen Luftkampfes im Ersten Weltkrieg festgehalten. Die Taktik von Richthofens ist nicht zuletzt geprägt von seiner Auffassung der soldatischen Ehre. Grundlage war der Respekt auch gegenüber dem Feind. Dieser Respekt verbot es, sinnlos Menschenleben zu zerstören. Wenn möglich landete man neben dem abgeschossenen Gegner und nahm ihm persönlich gefangen. Es gab nicht den ideologischen begründeten Haß späterer Zeit, sondern vielfach noch Ritterlichkeit, die sich in Einzelfällen sogar bis in den Zweiten Weltkrieg erhalten hat.
Ich will mit diesem Aussagen keineswegs die Kriegsführung des Ersten Weltkrieges romantisieren oder gar idealisieren. Jeder Krieg ist fürchterlich und zerstörerisch. Daher bleibt es die vornehmste Pflicht unserer Generation, ihn ein für allemal zu verhindern. Aber gerade deshalb ist es aus meiner Sicht sinnvoll, ein Zeitdokument wie Manfred von Richthofens ‘Roten Kampfflieger’ neu herauszugeben und zu lesen. Und wenn zu seinem 100sten Geburtstag – wie zu erwarten ist – vieles aus zweiter oder dritter Hand geschrieben werden wird, soll auch das Original zur Verfügung stehen.”
This Post Has 0 Comments