Meine Vermählung
Event ID: 632
18 October 1917
Source ID: 55
“Fritze Prestien, eine alte Fliegerkanone, heiratete. Ich war eingeladen zur Hochzeit. Sie fand bei den Schwieger-eltern, die am Hofe des Herzogs von Koburg-Gotha leben, statt. Der Herzog hatte sein Jagdschloß Reinhardsbrunn zur Verfügung gestellt. Die Festlichkeit war sehr nett, besonders für eine Kriegshochzeit. Ich selbst verlebte dort lustige Tage und fuhr von da, den Rest meines Urlaubs in Berlin zu verleben, ins Continental. Der Portier empfängt mich schmunzelnd mit einem Glückwunsch. Auf meine verschiedenen Fragen hin, was der Grund des Glückwunsches sei, sieht er mich ganz erstaunt an, lächelt verbindlich und erklärt: “Zu Ihrer Vermählung!” Ich war gerade im Kreise einiger lustiger Menschen. Es gab ein großes Hallo. Ich bekam einen roten Kopf und erklärte ihm, ich hätte mich nicht verheiratet, nicht einmal verlobt. Der Portier guckte mich etwas mißtrauisch an. Für mich war die Sache erledigt. Ich dachte schon gar nicht mehr daran, komme in ein Lokal, in dem ich öfter esse, es ereignet sich dasselbe. Der Wirt überschlägt sich vor Liebenswürdigkeit. Nun frage ich aber, warum und wieso er dazu käme. Er ergreift die “Deutsche Tageszeitung”, da steht es dick und fett. Tatort, Zeugen, allerhand Gäste sind angeführt von einer Hochzeit, die ich zwar mitgemacht hatte, aber nicht ich war der Leidtragende, sondern Fritze Prestien. Die “Gothaische Zeitung” hatte meinen Namen mit dem meines Freundes einfach verwechselt und so war ich durch sämtliche Zeitungen zum Ehemann gedruckt. Der Liftboy im Continental hielt mir die “B.Z.” unter die Nase lachte h¨hnisch und sagte: “Wollen Sie’s noch immer leugnen, Herr Rittmeister?” Meine eigenen Verwandten schickten mir zahllose Telegramme. Briefe mit dem komischen Inhalt bekam ich noch wochenlang später, leider aber keine Hochzeitsgeschenke, die ich natürlich dankend angenommen und für den Fall, daß, augespart hätte. Mein Vater war gerade im Felde, worauf auch ihm von allen Seiten die herzlichsten Glückwünsche überbracht wurden. Ich hatte ihn schon lange nicht mehr gesehen. Schreiben tue ich überhaupt nie an ihn. Da es nun überall schwarz auf weiß zu lesen war und die Tatsachen so genau beschrieben wurden, fing mein Vater so langsam an, es selbst zu glauben, und leugnete es schließlich nicht mehr. Später meinte er, wie ich ihn auslachte: “Die moderne Zeit bringt ja allerhand mit sich, warum nicht mal zur Abwechslung auch so etwas? Die Väter werden ja nur in den seltensten Fällen um ihre Meinung gefragt.” Er war aber doch schließlich ganz damit einverstanden, daß ich nicht in den Stand der heiligen Ehe getreten war, denn auch er war der Überzeugung, daß es doch noch etwas verfrüht gewesen wäre. Ich selbst könnte mir ganz gut vorstellen, mein Leben bis an mein selig Ende als flotter Junggeselle zu genießen.
Das Interesse der jungen Mädchen an mir hat seitdem sichtlich nachgelassen. Das läßt sich an den Briefen feststellen.”
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