skip to Main Content

Ein holländischer Bericht

Event ID: 668

Categories: 

Ein Heldenleben, Ullstein & Co, 1920

29 April 1917

50.329872275934086, 3.144518810662833
Roucourt

Source ID: 55

Ein Heldenleben, Ullstein & Co, 1920 p.  305 

“Eine Schilderung des Berliner Korrespondenten des „Allgemeen Handelsblad“

Der Berichterstatter beobachtete das kokette Spiel eines englischen Fliegers, der, von den platzenden Schrapnells der deutschen Abwehrgeschütze eingehüllt, die deutschen Flieger herauszufordern schien. Plötzlich schoß über den feindlichen Flieger hinaus ein auffallend gefärbtes  Flugzeug mit schwarzen Kreuzen auf den Flügeln. „Richthofen!“ riefen die Soldaten. Es begann nun eine wilde Jagd mit Schlangenwindungen, Schleifen und Kreisen. Das deutsche Flugzeug aber blieb dauernd über dem Engländer und drückte seinen Gegner immer tiefer gegen den Boden, so geschickt er auch manövrierte. Die Abwehrgeschüße schwiegen. Wie zwei verliebte Vögel an einem Frühlingsabend spielten die beiden Flugzeuge miteinander. Das lockende Flöten beider aber klang greulich: hart und grausam ertönte mit rasender Geschwindigkeit das tat-tak-tak ihrer Bordgeschüße. Plötzlich jedoch schoß der Engländer in schräger Richtung erdwärts. Immer tiefer… Mehrere Kilometer von meinem Beobachtungsposten entfernt, kam er zu Boden. Zermalmt lag er unter seiner Maschine. Richthofen hatte seinen fünfzigsten Gegner
unschädlich gemacht. Am selben Abend noch fügte er zwei weitere Opfer seiner ruhmreichen Serie hinzu.

Wenige Tage später sprach ich den Rittmeister in Person. Ein junger Mann noch, von höchstens fünfundzwanzig Jahren, mit hellblauen, gutmütig blickenden Augen und einem gemütlich lachenden Munde. Was konnte er mir viel erzählen? Er flog erst seit kurzer Zeit. Er hatte Glück gehabt. Die jetzt verwendeten deutschen Flugzeuge stehen den französischen und englischen in nichts nach. An Kühnheit gebricht es den deutschen Fliegern auch nicht. Und daß gerade sein Geschwader besonderes Glück hatte – es brachte einhundertvierzig Feinde nieder, während von seiner Staffel nur zwei nicht zurückkehrten – , schreibt von Richthofen in der Hauptsache dem besseren Schießen der deutschen Flieger zu. Alle Achtung aber vor den englischen Fliegern. Mutige Kerle, zähe Sportsleute, die jetzt indessen das Fliegen nicht mehr als Sport allein,  sondern auch als Wissenschaft betrachten. Sie sind als Gegner ernster zu nehmen als die Franzosen, denen es allerdings an Mut und Sicherheit auch nicht gebricht, die sich aber zu sehr auf ihren eleganten Spürsinn verlassen. Der junge Rittmeister erzählte alles das ohne jede Prahlerei. Ein Mann, der in Hunderten von Luftgefechten den Ernst des Lebens kennengelernt hat, ist sich seines Ruhmes wohl voll bewußt, er weiß jedoch, daß auch für ihn der Augenblick kommen kann, der einem Boelcke und Immelmann nicht erspart blieb. Wer Tag und Nacht
bereitstehen muß, das gefährlichste Wagnis des Krieges zu unternehmen, kennt, so jung und noch so berühmt er auch sein mag, kein Verständnis für Prahlerei. Seine Nerven find wie die Spanndrähte seines Flugzeuges, kräftig und stets gespannt. Sein Mund bleibt verschlossen, fein Blick ruhig. Es hielt deshalb auch sehr schwer, von Richthofen zum Sprechen zu bewegen. Warum sind die Maschinen seiner Staffel so grell gestrichen? Zufall. Seine ersten Flugzeuge hatten, der Himmel weiß, warum, eine grelle Farbe. Die Engländer erkennen daher ihn und seine Genossen auf den ersten Blick. Seine schnellste Tat vollführte er erst vor wenigen Wochen. Er lag in einer nahen Stadt eines Morgens noch im Bett. Man weckte ihn mit der Nachricht, es sei ein feindlicher Flieger in Sicht. Aufstehen? Liegen bleiben? Er aus dem Bett. Über den Pyjama wird der Pelz geworfen und der Sturzhelm schnell aufgestülpt. In einem Auto wird nach dem Schuppen gerast. Hinauf in die Lüfte. Eine Viertelstunde später lag von Richthofen wieder in seinem Bett. Der Engländer hatte daran glauben müssen. In dem Schuppen von Richthofens stand kurze Zeit darauf eine „Spad”-Maschine, das jüngste Modell der Ententeflieger. Der Sitzplatz des Führers, die Tragflächen, das Maschinengewehr voller Blutflecke. Dem Engländer mußte die Kugel durch eine Schlagader geflogen sein. Mit solchen Bildern vor Augen wurde aus dem verwegenen Jüngling ein ernster, schweigsamer Mann.”

This Post Has 0 Comments

Leave a Reply

Your email address will not be published. Required fields are marked *

Back To Top