Brief des Generals von der Marwitz an den Vater
Event ID: 666
24 April 1918
Source ID: 55
“Sehr geehrter Herr von Richthofen!
Was uns hier schon lange mit banger Sorge erfüllte: Die Möglichkeit, Ihren heldenhaften ältesten Sohn einmal zu verlieren, das ist Ereignis geworden. Ich habe persönlich mit ihm und seiner Staffel Verbindung aufgenommen und mich an der Frische, an dem rückhaltlosen Vertrauen, mit welchem seine Untergebenen auf den Führer schauten, und an seiner Persönlichkeit herzlich gefreut. Ihren Herrn Sohn verlieren, das hieß für die Fliegerwaffe eine Macht verlieren, unersetzbar, niederdrückend für die eigene, den Übermut des Gegners hebend, für die feindliche Fliegerei. In Berücksichtigung dieser Verhältnisse wollte ich an die D. H. L. mit dem Antrage herantreten, Ihren Sohn von der aktiven Fliegerei zurückzustellen. Da kam die Versetzung der gesamten Staffel auf einen anderen Kriegsschauplatz; zunächst war das aber unausführbar, da kein Fliegerwetter war, und nach einigen Tagen wurde der Versetzungsbefehl rückgängig gemacht. Ihr Herr Sohn war selbst bei mir, und ich sah, wie erfreut er war, er wollte lieber bei uns bleiben. Bevor ich nun auf meine Antragsabsicht zurückkommen konnte, haben wir ihn hergeben müssen. Ich bin auf das schmerzlichste von diesem unersetzlichen Verluste berührt worden, und mein Brief soll Ihnen, sehr verehrter Herr von Richthofen, den Beweis liefern, wie tief wir mit Ihnen trauern über den Tod Ihres Heldensohnes. Sein Ruhm geht ja weit hinaus über die Grenzen des Vaterlandes, und ich bin überzeugt, auch der Gegner hat volle Achtung vor diesem Heldentum gehabt. Das geht ja auch aus dem Bericht hervor, nach welchem die Beisetzung unter vollen militärischen Ehren erfolgt ist. Alles das wird Ihrem Herzen wohl tun, den Schmerz über den Verlust des Sohnes kann es aber nicht beseitigen. Es ist mir Bedürfnis, Sie des allerherzlichsten Beileids, nicht nur meines, sondern das des gesamten Stabes des A. D. K., zu versichern und Ihnen zu sagen, daß der Heldenname Ihres Sohnes unvergessen bleibt. Möchte der
treue Gott Ihnen helfen, diesen schweren Verlust zu tragen, möchte er Ihren jüngeren Sohn, der auch schon für das Vaterland blutete, Ihnen gesund erhalten. Dies der aufrichtige Wunsch Ihres sehr ergebenen
von der Marwitz
General der Kavallerie,
Generaladjutant und Oberbefehlshaber”
This Post Has 0 Comments