Der rote Kampfflieger
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20 May 1917
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“Nun habe ich ein Buch geschrieben. Im Verlage Ullstein ist es erschienen, und es heißt “Der rote Kampfflieger”.
Täglich laufen Briefe un Karten ein von Leuten, die mir versichern, daß ihnen “Der rote kamppflieger” gut gefallen hat. Das macht mir eigentlich sehr viel Freude, ich lese alle Zuschriften, und wenn ich auch nicht die Hälfte beantworten kann, so gebe ich mir doch große Mühe, wenigstens den meisten Leuten zu schreiben.
Es ist doch sehr belustigend, zu sehen, wie verschieden der Eindrück ist, dan das Buch auf die Leser macht. Da schreibt mir beispielsweise ein Kamerad, der wahrscheinlich ein großer Schlemmer vor dem Herrn ist und im Kriege nicht ganz auf seine Rechnung kam: “Sehr verehrter Herr Kamerad, bitte, schreiben Sie mir sofort, wo Sie Ihre Austern herzubeziehen pflegen. Ich will auch Austern essen.”
Als ich diesen Brief bekam, faßte ich mir zunächst an den Kopf, dann mußte ich ganz schrecklich lachen, denn ich erinnerte mich dunkel, daß in meinem Buch von Austern die Rede war. Und tatsächlich, in meinem Buch steht: “Wir feierten gemütlich ein Test, aßen Austern und tranken Schampus.”
Dieser Herr Kamerad hatte also diese Austern-Affäre als Quintessenz des Buches für sich behalten.
Ein Schüler schickte mir einen Toilettenspiegel und bemerkte dazu, er habe aus dem Buch entnommen, daß mir ein derartiges Werkzeug in meinem roten Flugzeug fehle.
Außerordentlich viele Briefe bekam ich aus dem Kadettenkorps. Da schrieben mir die Herren Kadetten, daß sie in bezug auf ihre Bauker absolut meiner Meinung seien, sie würden sich auch wie ich bemühen, nur daß Allernotwendigste zu lernen, um versetzt zu werden.
Mein jüngster Bruder Bolko hat einen großen Beschwerdebrief an dei Familie über mich losgelassen. Er ist Kadett in Wahlstatt und beschwert sich darüber, daß ich die Lehrer des Kadettenkorps in meinem Buch schlecht gemacht habe. Er habe nun so viel Unannehmlichkeiten im Korps, daß es gar nicht auszuhalten sei. Er bittet die Familie, dafür Sorge zu tragen, daß ich die Manuskripte, falls ich noch einmal welche verbrechen sollte, ihm zuerst zur Kontrolle vorzulegen habe. Ich finde, er verlangt etwas viel von mir, der gute Bolko; außerdem beschuldigt er mich der Lüge. In meinem Buch habe ich erzählt, daß ich einmal auf den Kirchturm in Wahlstatt geklettert sei und dort ein Taschentuch auggehängt habe. Bolko behauptet nun, einwandfrei festgestellt zu haben, daß das Tashentuch dort nicht mehr hänge, daß ich infolgedessen kaum die Wahrheit gesagt haben könne. Ich finde, es ist zuviel verlangt von einem Tashentuch, fünfzehn Jahre einen Kirchturm zu zieren.
Jemand schickte mir die “London Times”. Die Zeitung brachte eine Besprechung des “Roten Kampffliegers”. Ich finde das ganz delikat, so während des Krieges von dem Gegner rezensiert zu werden. Ich komme ganz gut in der Beschprechung weg. Wenn ich also einmal in englische Gefangenschaft gerate, behandeln mich die Lords sicher anstândig.
So ein Buch wirkt aber auch manchmal verheerend auf das Gefühlsleben der Mitbewohner dieser Erde. Eine arme Person schrieb mir, sie liebe mich abgöttisch, sie habe mein Buch siebenmal gelesen. Das arme Kind! Aber dann ist etwas passiert, worüber ich denn doch gestaunt habe. Da schreibt mir eine junge Dame, die, wie sie selbst sagt, durchaus aus gutem Hause ist. Diese Dame ist ein Klosterzögling und will Nonne werden. Sie hat in ihrer Klosterzelle mein Bild, das sie irgendwo erstanden hat, aufgehängt. Und nun geschah eines Tages das Unglück, eine Abtissin kam in die Zelle und sah das Bild. Die Klosterschülerin erhielt einen strengen Berweis, und es wurde ihr gesagt, daß angehende Nonnen selbst dann keine Herrenbilder in ihre Stube aufzuhängen hätten, auch dann nicht – wenn diese Männer bekannte Kampfflieger seien. Die Schülerin mußte also das Bild entfernen. Aber was tat das kluge Kind. Sie tat etwas, was mir vielleicht schmeicheln könnte, wenn ich die ganze Sache nicht doch für allzu verdreht hielte. – Sie schrieb an eine Freundin, die schon Nonne war, und bat sie, ihr eine große Fotografie von sich zu schicken. Die Freundin tat das. Dann ging das arme Mädchen hin, schnitt aus der Fotografie das Gesicht aus und klebte mein Gesicht unter die Nonnenhaube. Als das nun wieder herauskam, nahm die Schulerin selbst eine Änlichkeit mit mir an. Sie flog nämlich. Wahrscheinlich mit Recht.
Ich höre im übrigen folgende herrliche Geschichte: Zwei englische Verlage wollen den “Roten Kampfflieger” in England herausbringen. Beide zogen vor den Londoner Patentgerichtshof, weil es sich bei der Herausgabe des Buches um eine Verletzung international geschützter Urheberrechte in England handelt. Der Vertreter der zuständigen englischen Aufsichtsbehörde tat mir große Ehre an. Er erklärte, daß mein Buch großes allgemeines und fachliches Interesse sicher habe und daß seine englische Herausgabe nüßlich wäre; denn es schildere die Methode des besten deutschen Kampffliegers, der auch den berühmtesten englischen Flieger, Captain Ball, abgeschossen habe. Also wird “Der rote Kampfflieger”, wenn sich die beiden Verlage geeinigt haben, in England erscheinen. God save the King!”
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