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Die rote Farbe

Event ID: 647

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Ein Heldenleben, Ullstein & Co, 1920

07 May 1917

50.22803678981427, 8.61048946932352
Homburg

Source ID: 55

Ein Heldenleben, Ullstein & Co, 1920 p.  205 

“Es war gerade bekanntgeworden, daß die Engländer ein Kopfgeld auf meinen Bruder ausgesetzt haben. Jeder Flieger drüben kannte ihn, denn er flog damals noch allein ein rot angepinseltes Flugzeug. Darum war es schon seit langem unser Wunsch, alle Flugzeuge unserer Staffel rot anstreichen zu lassen, und wir baten meinen Bruder händeringend darum, damit er nicht so besonders auffalle. Die Bitte ward gewährt; denn auch wir hatten uns schon durch viele Abschüsse der roten Farbe würdig gezeigt. Die rote Farbe bedeutete eine gewisse Anmaßung. Das  wußte jeder. Man fiel auf damit. Folglich mußte man schon etwas leisten. Stolz besahen wir uns schließlich unsere roten Vögel. Meines Bruders Kiste war knallrot. Jeder von uns anderen hatte noch einige Merkmale in anderen Farben. Da man sich in der Luft ja nicht gegenseitig ins Gesicht sehen kann, hatten wir diese Farben als Erkennungszeichen gewählt. Schäfer hatte zum Beispiel Höhensteuer, Seitensteuer und etwas vom hinteren Rumpf schwarz, Allmenröder dasselbe in weiß, Wolff grün und ich gelb. Als gelber Dragoner war das für mich die gegebene Farbe. So hatte jeder eine verschiedene. In der Luft erschien dann der ganze Apparat sowohl von der Erde aus wie auch vom Feinde gesehen rot, da ja nur kleine andere Teile in anderer Farbe angemalt waren. Wer die Abwehrschlacht bei Arras mit. gemacht hat, wird die roten Vögel und ihre Arbeit ja zur Genüge gesehen haben. Nun wird sich mancher fragen: Wie kommt der Rittmeister Richthofen überhaupt bloß dazu, seine Kiste rot anzustreichen? Die Franzosen bezeichneten dies in einem Artikel als kindlich. Der Grund ist anderswo zu suchen. Als Manfred bei der Jagdstaffel Boelke anfing, seine ersten Erfolge zu erringen, ärgerte er sich darüber, daß ihn die Feinde im Luftkampf viel zu früh sahen. Er versuchte, sich durch verschiedene Farben möglichst unsichtbar zu machen. So strich er sich unter anderem erdfarben an. Von oben würde man diese Farbe nicht entdecken, wenn sich so ein Ding nicht bewegen würde. Manfred mußte zu seiner Betrübnis merken, daß eine Farbe nichts nützte. Es gibt eben für einen Flieger keine Tarnkappe, mit der er sich unsichtbar machen könnte. Um dann wenigstens in der Luft von seinen Kameraden als Führerflugzeug immer erkannt zu werden, wählte er die leuchtend rote Farbe. Später wurde die rote Maschine auch bei den Engländern bekannt. „Le petit rouge“ und andere Namen wurden ihr beigelegt. Dann wurde behauptet, eine „Jeanne d’Arc“ oder eine ähnliche Frau säße darin. Freund und Feind wußten, wer in der roten Maschine saß. Eine unbeschreibliche Begeisterung löste sie bei unseren Truppen an der Front aus, weniger bei den Feinden. Mir schwebte der bekannte Vergleich mit dem roten Tuch vor, das man früher im  Stierkampf dem Stier vorhielt, um ihn auf diese Weise zum besinnungslosen Angriff zu reizen. Aber der Vergleich stimmt insofern nicht, als die Engländer, sobald sie die rote Maschine sahen, ausrissen wie Schafleber. So brauchte sich die rote Maschine in der Arrasschlacht nur der  Front zu nähern, um die Engländer sofort über ihre eigenen Linien flüchten zu sehen.”

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