Englischer Bombenangriff auf unseren Flughafen
Event ID: 194
07 April 1917
Source ID: 4
“Englischer Bombenangriff auf unseren Flughafen Die Vollmondnächte sind für den Nachtflieger am geeignetsten. In den Vollmondnächten des Monats April betätigten sich unsere lieben Engländer besonders emsig. Natürlich war es mit der Arras-Schlacht in Verbindung zu bringen. Sie mochten wohl herausbekommen haben, daß wir in Douai auf einem sehr, sehr schönen, großen Flugplatz uns häuslich eingerichtet hatten. Eines Nachts, wir sitzen im Kasino, klingelt das Telephon, und es wird mitgeteilt: »Die Engländer kommen.« Natürlich großes Hallo. Unterstände hatten wir ja; dafür hatte der tüchtige Simon gesorgt. Simon ist unser Bausachverwalter. Also alles stürzt in die Unterstände, und man hört tatsächlich – zuerst noch ganz leise, aber ganz sicher das Geräusch eines Flugmotors. Die Flaks und Scheinwerfer scheinen auch eben die Mitteilung bekommen zu haben, denn man merkt, wie sie sachte lebendig werden. Der erste Feind war aber noch viel zu weit, um angegriffen zu werden. Uns machte es einen Heidenspaß. Wir befürchteten nur immer, die Engländer würden unseren Platz nicht finden, denn das ist nachts gar nicht so einfach, besonders, da wir nicht an einer [134]großen Chaussee lagen oder an einem Wasser oder an einer Eisenbahn, die des Nachts die besten Anhaltspunkte bilden. Der Engländer flog scheinbar sehr hoch. Erst einmal um den ganzen Platz herum. Wir glaubten schon, er hätte sich ein anderes Ziel gesucht. Mit einem Male aber stellt er den Motor ab und kommt herunter. »Nun wird’s Ernst,« meinte Wolff. Wir hatten uns zwei Karabiner geholt und fingen an, auf den Engländer zu schießen. Sehen konnten wir ihn ja noch nicht. Aber allein der Knall beruhigte schon unsere Nerven. Jetzt kommt er in den Scheinwerfer herein. Auf dem ganzen Flugplatz überall ein großes Hallo. Es ist eine ganz alte Kiste. Wir können den Typ genau erkennen. Er ist höchstens noch einen Kilometer von uns entfernt. Er fliegt genau auf unseren Platz zu. Er kommt immer niedriger. Jetzt kann er höchstens noch hundert Meter hoch sein. Da stellt er wieder den Motor an und kommt genau auf uns zugeflogen. Wolff meint noch: »Gott sei Dank, er hat sich die andere Seite des Flugplatzes ausgesucht.« Aber es dauerte nicht lange, da kommt die erste, und dann regnet es einige Bömbchen. Es war ein wunderbares Feuerwerk, das uns der Bruder vormachte. Einem Angsthasen konnte er auch Eindruck machen. Ich finde überhaupt, Bombenwerfen in der Nacht ist nur moralisch von [135]Bedeutung. Hat einer die Hosen voll, so ist es für ihn sehr peinlich, für die anderen aber nicht. Wir empfanden einen großen Spaß und meinten, die Engländer könnten doch recht oft kommen. Also, mein guter Gitterschwanz warf seine Bomben ab, und zwar aus fünfzig Metern Höhe. Das ist eine ziemliche Frechheit, denn auf fünfzig Meter mute ich mir zu, auch des Nachts bei Vollmond einem Keiler einen ganz anständigen Blattschuß zu verpassen. Warum sollte ich nicht auch einen Engländer treffen? Es wäre doch mal etwas anderes gewesen, so einen Bruder von unten abzuschießen. Von oben hatten wir schon mehreren die Ehre gegeben, aber von unten hatte ich es nicht probiert. Wie der Engländer weg war, gingen wir wieder ins Kasino und besprachen uns, wie wir den Brüdern in der nächsten Nacht einen Empfang bereiten wollten. Tags darauf sah man die Burschen usw. sehr emsig arbeiten. Sie beschäftigten sich damit, Pfähle in der Nähe des Kasinos und der Offizier-Wohnbaracken einzurammen, die in der kommenden Nacht als Maschinengewehrstände benutzt werden sollten. Wir schossen uns mit erbeuteten englischen Flugzeug-Maschinengewehren ein, machten uns ein Nachtkorn drauf und waren sehr gespannt, was nun werden würde. Die Zahl der Maschinengewehre will ich nicht verraten, aber es sollte genügen. [136]Jeder von meinen Herren war mit so einem Ding bewaffnet. Wir sitzen wieder im Kasino. Gesprächstoff sind natürlich die Nachtflieger. Da kommt ein Bursche hereingestürzt und schreit nur: »Sie kommen, sie kommen!« und verschwindet, etwas spärlich bekleidet, im nächsten Unterstand. Jeder von uns stürzt an die Maschinengewehre. Einige tüchtige Mannschaften, die gute Schützen sind, sind auch damit bewaffnet. Alle übrigen haben Karabiner. Die Jagdstaffel ist jedenfalls bis an die Zähne bewaffnet und bereit, die Herren zu empfangen. Der erste kam, genau wie am Abend vorher, in größerer Höhe, geht dann auf fünfzig Meter herunter, und zu unserer größten Freude hat er es diesmal gleich auf unsere Barackenseite abgesehen. Er ist im Scheinwerfer. Jetzt ist er höchstens noch dreihundert Meter von uns entfernt. Der erste fängt an zu schießen, und zur selben Zeit setzen alle übrigen ein. Ein Sturmangriff könnte nicht besser abgewehrt werden als dieser Angriff des einzelnen frechen Kunden in fünfzig Metern Höhe. Ein rasendes Feuer empfängt ihn. Hören konnte er das Maschinengewehrfeuer ja nicht, daran verhinderte ihn sein Motor, aber das Mündungsfeuer eines jeden sah er, und deshalb finde ich es auch diesmal sehr schneidig von dem Bruder, daß er nicht abbog, sondern starr seinen Auftrag durchführte. Er flog genau [137]über uns weg. In dem Augenblick, wie er über uns weg war, springen wir natürlich schnell in den Unterstand, denn durch so ’ne dämliche Bombe erschlagen zu werden, wäre für einen Jagdflieger ein selten dämlicher Heldentod. Kaum ist er über uns weg, wieder ’ran an die Gewehre und feste hinter ihm hergefeuert. Schäfer behauptete natürlich: »Ich habe ihn getroffen.« Der Kerl schießt ganz gut. Aber in diesem Fall glaubte ich ihm denn doch nicht, und außerdem hatte jeder andere ebenso gute Chancen. Wir hatten wenigstens das erreicht, daß der Gegner seine Bomben ziemlich planlos in die Gegend warf. Eine allerdings platzte ein paar Meter neben dem »petit rouge«, tat ihm aber nicht weh. Dieser Spaß wiederholte sich in der Nacht noch mehrere Male. Ich lag bereits im Bett und schlief fest, da hörte ich im Traum Ballonabwehrfeuer, wachte davon auf und konnte nur feststellen, daß der Traum Wahrheit war. Ein Kunde flog so niedrig über meine Bude weg, daß ich mir vor lauter Angst die Bettdecke über den Kopf zog. Im nächsten Augenblick ein wahnsinniger Knall, ganz in der Nähe meines Fensters, und meine Scheiben waren ein Opfer der Bombe. Schnell im Hemd ’rausgestürzt und noch einige Schuß hinter ihm her. Draußen wurde er schon kräftig beschossen. Ich hatte aber diesen Herrn leider verschlafen. [138]Am nächsten Morgen waren wir sehr erstaunt und hocherfreut, als wir feststellten, daß wir nicht weniger wie drei Engländer von der Erde aus abgeschossen hatten. Sie waren nicht weit von unserem Flughafen gelandet und gefangengenommen worden. Wir hatten meist die Motoren getroffen und sie dadurch gezwungen, auf unserer Seite ’runterzugehen. Also hatte sich vielleicht Schäfer doch nicht geirrt. Wir waren jedenfalls sehr zufrieden mit unserem Erfolg. Die Engländer dafür etwas weniger, denn sie zogen es vor, nicht mehr unseren Platz zu attackieren. Eigentlich schade, denn sie haben uns viel Spaß damit gemacht. Vielleicht kommen sie nächsten Monat wieder.”
This Post Has 0 Comments