Groß war die Trauer in Deutschland
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25 April 1918
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“Groß war die Trauer in Deutschland. In unendlichen Mengen liefen die Beileidsbezeignungen ein.
Viel war über ihn geschireben, viel von ihm erzählt worden, unzählige Legenden hatten sich um ihn gebildet. Was er war, dort, wo ihn nur seine Mitkämpfer, seine Kameraden sahen, wo ihn die feindlichen Flugzeuge erblickten, im Luftkampf und daheim bei seinem Geschwader, das geht aus folgender Schilderung hervor: Er war in erster Linie Soldat. Und als Soldat stand ihm der Jagdflieger obenan.
Dieser Auffassung ordnete er alles andere unter. Nichts war ihm zu schwer, nichts unmöglich, wenn es etwas für seine Jagdfliegerei, für sein Geschwader zu erreichen galt. Als 25jähriger Rittmeister erhielt er die Stellung eines Kommandeurs, zugleich eine Aufgabe, für die es noch keine Normen, noch kein Vorbild gab. Das zu schaffen war erst Richthofens Aufgabe. Er hatte sie sich ja selbst gestellt. Der Gedanke eines ‘Jagdgeschwaders’ stammt von ihm. Was er außer seiner fliegerischen Tätigkeit alles geleistet hat, wissen nur wenige. Seine Arbeit auf der Erde war nicht geringer als die in der Luft. Kaum vom Fluge zurückgekommen, fand man ihn schon in seiner Baracke bei der Arbeit. Nichts ging im Geschwader vor, was er nicht wußte. Er erledigte den Papierkrieg genau so zuverlässig und im Handumdrehen, wie den Krieg in der Luft. Gab es zum Beispiel irgendwelche Büroarbetiten zu beackern, wichtige Angelegenheiten zu bearbeiten, die am schnellsten bei den vorgesetzten Stellen direkt und unmittelbar aus der Welt geschafft werden konnten, so setzte er sich in seinem Dreidecker und hieb ab, flog zu den vorgesetzten Stellen und legte den Kram auf den Tisch, ordnete alles an Ort und Stelle. Einmal flog er bei ganz unglaublichem Wetter, bei dem jede Maus in ihrem Loch geblieben wäre, unbekümmert zum AOK., um eine wichtige Sache zu regeln.
Nur eine so gesunde körperliche Natur wie die seine konnte derartigen Anforderungen gewachsen sein. Mochte er noch so viel hinter sich haben, stets sah er frisch und unermüdet aus. Anforderungen an Bequemlichkeit stellte er nur dann, wenn sie billig und ohne Schaden für den Flugbetrieb zu haben waren. Seine Kleidung war so einfach wie nur möglich, unter uns lief er meistens nur in seiner Rehlederhose. War es kalt, so hatte er darüber noch eine Lederjacke. Im Waffenrock sah man ihn nur bei festlichen Gelegenheiten, oder wenn Gäste da waren. In den ersten Tagen kam erplötzlich zum Adjutanten hereingesaust, um sich Handschuhe und Feldbinde zu borgen, weil er sich schnell beim “Braunschweiger” melden mußte. Schmunzelnd kam er dann von dort zurück: er hatte den unvermeidlichen Hausorden zum zweitemal gekriegt. ‘Aber das kann ich doch dem Mann nicht sagen!’
über gutes Essen freute er sich außerordentlich, besonders wenn der nötige Mostrich da war, von dem er zu allem und jedem nahm. Wenns aber nicht anders ging, war er mit allem höchst zufrieden. Primadonnanlaunen hatte er nicht, obwohl er sich welche hätte leisten können. Auch einen guten Tropfen lehnte er keineswegs ab. Nur sah man ihn stets nüchtern, auch wenn rings um ihn erheblich blaue Luft herrschte.
Die Kameradschaft hielt er über alles, er züchtete sie geradezu. Er hatte den vernünftigen Grundsatz, daß seine Herren nach dem Fluge machen konnten und machen sollten, wozu sie Lust hatten. Er machte da manchen Scherz mit und ließ sich viel gefallen. Ich sehe noch sein ausgelassenes Gesicht, als das Große Hauptquartier einige Reichstagsabgeordnete zum Besuche schickte, die abends in einer Wellblechbude zum Schlafen gingen, und Reinhard in der Stille der Nacht mit einigen Helfern einen feindlichen Bombenangriff inszenierte. Als die dafür sehr geeigneten Leuchtsignale, durchs Ofenrohr in die Wellblechbude gefunkten Explosionen mit entsetzlichem Krachen und viel Gestank aus ihrer Pappdeckelhaut fuhren, fuhren auch die nicht minder entsetzten Gäste mit leichenblassen Gesichtern aus der Baracke und hätten dicht vor der Tûr um ein Haar – den Kommandeur über den Haufen gerannt. Er entwischte aber schleunigst ins Dunkel…
Meinte Richthofen aber, daß zwischen zwei Kameraden irgend eine Differenz bestünde, griff er sofort ein. So wurde auch ein Herr eines schönen Tages zu ihm hinbefohlen, weil er einen erheblich lauten und etwas aufgeregten Wortwechsel mit einem Kameraden ernst genommen hatte. Er bekam eine väterliche Ermahnung…unf schnappte prompt ein. Wir kannten damals diese Seite an ihm noch nicht. Erst später ist uns aufgegangen, wiegut er es mit uns meinte. Solche ‘väterlichen Ermahnungen’ mußte sich fast jeder von uns gefallen lassen. Es gab sogar unter uns welche, die sie zentnerweise bezogen, weil es ihm notwendig schien. ‘Wie die Staffel auf der Erde sich benimmt, so benimmt sie sich auch in der Luft.’
Das war sein eiserner Erziehungsgrundsatz, und diesen wandte er nicht nur auf seine Leibstaffel, die Staffel 11, an, sondern er dehnte ihn auf das ganze Geschwader aus. Umschichtig besuchte er Tag für Tag auch die anderen Staffeln und er kannte jeden von uns, auf dem Boden und in der Luft. Eine engere Freunschaft verband ihn mit seinem Adjutanten Oberleutnant Bodenschatz und Hauptmann Reinhard, dem damaligen Führer der Jagdstaffel 6. Sein anerkannter Liebling aber war Wölfchen, Joachim. Wölfchen war schon lange im Geschwader, war dreimal verwundet und hatte das totsichere Pech, bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit den Laden volgeschossen zu bekommen. Seine Jagdfliegertätigkeit war deshalb zuerst lediglich passiv. Trotzdem behielt ihn Richthofen in seinem Geschwader, während er sonst jeden rücksichtlos und sofort entfernte, der sienen harten Anforderungen nicht genügte. Aber Wölfchen hatte den Rittmeister einmal aus einer schlimmen Situation herausgerissen und Richthofen ‘roch’ den guten Jagdflieger in ihm trotz seiner anfänglichen Mißerfolge. Und unter seiner Anleitung lernte es Wölfchen auf einmal richtig, ging los, fuhrwerkte wie ein Teufel in den feindlichen Geschwadern und schoß in kurzer Zeit 10 Gegner ab.
über Richthofen als Jagdflieger zu sprechen, ist eigentlich überflüssif. Er war wohl der beste Jagdflieger, den, es jemals gegeben hat. Auch wenn er in seinem Buchj schreibt, daß er die ersten 20 abschoß, ohne richtig fliegen zu können, so traf das später nicht mehr zu. Mit hohem fliegerischem Können verband er eine große Gehkunst und einen gewissen Riecher. Wo er hinflog, da war auch immer etwas los. Dann schoß er ganz hervorragend, nach seinen ersten Schüssen war der Gegner meistens verloren, er brannte sofort. Und das ist das ganze Geheimnis seiner großen Erfolge, andere Geheimnisse hatte er nicht. Er kannte keinen besonderen und vielleicht von ihm sorgfältig gehüteten Trick. Höchstens hatte er einen einzigen Trick, und den hatten wohl alle routinierten Jagdflieger: er behielt während des Fluges seine ‘Häschen’ sehr im Auge, das heißt: er paßte auf die Anfänger des eigenen Geschwaders auf. Kamen nun die feindlichen Flugzeuge näher, erkannten natürlich auch diese den Anfänger und alsbald war das Häschen von einem Angreifer belästigt; diesen Angreifer nahm sich Richthofen vor, denn dieser war mit dem ‘Häschen’ beschäftigt und ließ alles andere etwas außer betracht. Und dieser Angreifer, der auf ein Häschen anbiß, war meistens verloren. Denn hinter ihm brauste Richthofen heran bis auf Rammenentfernung. Und Richthofen schoß prachtvoll.
‘Wer viel fliegt, erlebt viel’, das war auch sein Grundsatz. ‘An guten Tagen können vormittags durchschnittlich drei Starts gemacht werden.’ Dann flog er natürlich noch fest am Nachmittag und am Abend. Die übrige Zeit stand er mit seinen herren meist angezogen auf dem platz, den Knotenstock in der Hand und neben sich Moritz, die große Dogge.
Hier lauerte er auf den Feind und regelte den Einsatz seiner Staffeln.
Für kr¨nkliche und nicht widerstandsfähige naturen hatte er nicht das mindeste Verständnis.
Das war für manche sehr hart.”
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