MvR ist berühmt
Event ID: 365
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19 May 1917
Source ID: 10
“Sonnabend, in der Frühe um sieben Uhr, holte Ilse Manfred von der Bahn ab. Sie kamen zu Fuß hieraus. Kaum hatte sich die Nachricht von seiner Ankunft verbreitet, als eine Flut von Blumensträußen und kleinen Geschenken zu uns hereinprasselte. Die ganze Stadt schien mobilisiert. Ich wußten wie sehr es Manfred widerstrebte, gefeiert zu werden. Aber es war nun nicht zu ändern, er fand sich ungern in seine Rolle. Es fehlte nichts an diesen Ovationen, weder der Wandervogel mit dem schwirrenden Singsang seiner Laute, noch der Rinderhort mit Papierhelmchen und Quasten.Sas schöne Wetter am Sonntag begünstigte die Waffenwanderung in unserem Hause. Die Straße stand zeutweise schwarz voll Menschen. Alle wollten ihn sehen. Wir hielten uns den ganzen Tag im Garten auf. Abordnungen kamen und gingen. Jung-Deutschland – die Jugendwehr – die Volksschule – Ansprachen – Ständchen – Aufsprachen – der Magistrat schikte eine junge Eiche, mit Marschall-Riel-Rosen garniert; Militärkapellen schmetterten… und wieder sehe ich Manfred, wie er sich mit den Kindern beschäftigt; wie sie an ihm hängen, wie es ihm Freude macht, in so viele junge, vor Begeisterung glühende Gesichter zu blicken. Nua als einer der Herren bedauert, daß nicht alle zwei- oder drei-tausend Schüler hier zur Stelle wären, um ihm die Hände zu drücken (da sie wegen des schulfreien Sonnabendnachmittag nicht alle hätten mobilisiert werden können), da geht ein Zucken über sein Gesicht. – Am Abend konnten wir vor Müdigkeit nicht mehr stehen. Mit großer Geduld hatte Manfred auch alle Postkarten mit seinem Bild, die Kinder und Erwachsene brachten, unterschrieben. Als jedoch eine Dame mit hundert Karten auf einmal ankam, auf die er sein Autogramm geben sollte, sagte er schroff: “Ich unterschreibe nicht ein einzige.” Stutzig über diesen fast brüsken Ton der Ablehnung, sah ich ihn verwundert an. Er erklärte, immer noch grollend, in einer anderen Stadt hätte man ihn auch einmal gebeten, fünfzig Bildpostkarten zu unterschreiben. Er tat das auch. Darauf beobachtete er dann von seinem Fenster aus, wie die fünfzig Karten auf der Straße verkauft wurden. Um die Probe aufs Drempel zu machen, fragte ich anschliesend die Dame, die sich pikiert abgewandt hatte, wozu in aller Welt denn mein Sohn den ganzen Stapel hätte zeichnen sollen. Sie erwiderte ganz naiv: “Um sie zu verkaufen, das Stück für 1 Mark; den Erlös könnte sie für die Wohltätigkeit gut gebrauchen.” – Ich konnte mich trotz des guten Zweckes mit ihrer Methode nicht ganz befreunden. Da der Ansturm nicht nachließ, griff ich zu einem Radikalmittel. Ich ließ in die Zeitung einrücken, Manfred sei abgereist. Wir fuhren denn auch fort von hier – allerdings nur mit dem Wagen bis Stanowitz. Manfred freute sich darauf, in dem alten schönen Revier einen Bock zu schießen. Er hatte auch Sehnsucht nach ein paar Tagen Ruhe. Wie überrascht waren wir, als wir schon bei der Einfahrt in das Dorf Vorbereitungen für einen festlichen Empfang wahrnahmen. Die Dorfbewohner umsäumten die Straße, aus allen Fenstern blickten Gesichter, das Schloß hatte geflaggt, ein Maler fotografierte mit wichtiger Gebärbe, Kinder fangen unentwegt Begrüßungslieder. Ich ahnte Schlimmes und musterte Manfred verstohlen von der Seite. Immer mehr umdüsterte sich sein Gesicht, Wetterwolken zogen herauf. Doch ehe es zur Entladung kam, nahte die Erlösung in Gestalt des treuen alten Schwanitz. Der Rutscher und Jäger mit seinem verwitterten Gesicht, in dem zwei helle scharfe Augen standen, war seit jeher Manfreds Freund; er kannte im Walde jeden Wechsel. Ein herzhafter Handschlag – kein unnütztes Wort – ein kürzer fester Blick – das war die Art der Begrüßung, wie sie Manfred liebte. Bald zogen die beiden pirschen. Die Büsche schlossen sich hinter ihnen. Abends war der Bock zur Strecke gebracht. * In der Dämmerung sitzen wir gern, wie wir es früher schon liebten, zu einem Schlummerstündchen zusammen. Manfred erzählt mir dann von seinen Erlebnissen, und ich höre zu und vermeide es, Fragen zu stellen, um ihn nicht zu stören. Was er sagt, klingt so frisch und ungekünstelt, oft blitzt so ein handfester, humorvoller Frontton durch, den ich gern mag. Ein unbedarfter Zuhörer könnte meinen, die Jagdfliegerei sei ein zwar nicht ungefährliches, aber nervenkitzelndes Vergnügen. Ich glaube, etwas mehr davon zu wissen, habe mich als “Fliegermutter” schon zu sehr in diese Welt eingelebt. Und ich sehe dies: …. … “Es war einer der wenigen Glücklichen, die ein freundliches Schicksal am Leben ließ”, schließt Manfred.”
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